Podcast „Silberschnack“: Eimsbüttelerin will Generationen verbinden
Als ihr Großvater stirbt, bereut Sina Werther, nicht mehr Fragen gestellt zu haben. Dann greift sie zum Mikrofon und hört sich in der Nachbarschaft um.
Von Julia HaasManche stellen Fragen, ohne eine Antwort abzuwarten. Nicht Sina Werther. Mit festem Blick folgt sie den Worten ihres Gegenübers. Immer wieder nickt sie, hakt im passenden Moment nach. Mit einer Nachbarin sitzt die 31-Jährige an ihrem Esstisch in der Bismarckstraße. Zwischen den beiden ein Mikrofon. Sie kennen sich nicht, sprechen aber wie Vertraute. Das hat vor allem einen Grund: Sina Werther hört zu.
Zeitreise durch das Leben
Zu Beginn der Corona-Pandemie verliert die gebürtige Nordrhein-Westfälin ihren Großvater. Und mit ihm die Möglichkeit, mehr zu erfahren. Über sein Leben, bevor es Sina gab, über seine Reisen, seine Ehen. Zwar besitzt die Familie alte Fotos, aber keine Video- oder Tonaufnahmen. „Seine Stimme ist für immer weg.”
Nach dieser Erfahrung beginnt Werther einen Familien-Podcast. Sie zeichnet Gespräche mit ihrem Stiefvater, ihrer Großmutter und anderen Verwandten auf. Gemeinsam durchlaufen sie die zurückliegenden Lebensjahre – von der wilden Jugend ihres Vaters bis zum Eheleben ihrer Großmutter. Werther erfährt all das, was niemand beiläufig am Esstisch ausplauderte. „Es fühlt sich an wie eine Zeitreise”, sagt sie und strahlt. Erleichtert darüber, all die großen und kleinen Momente ihrer Familie für immer konserviert zu haben.
Mehr als ein Familienprojekt: Podcast „Silberschnack“
Aus dem gelungenen Familienprojekt wächst die Idee, mehr daraus zu machen. Mit Menschen außerhalb der Familie ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und zuzuhören. Sie selbst hat bis dahin keinen Kontakt zu älteren Menschen in Hamburg. In ihr keimt das Gefühl, dass sich Alt und Jung voneinander isolieren.
Statt daraus ein Gedankenschloss zu bauen, greift die junge Eimsbüttelerin zum Mikrofon und initiiert den Podcast „Silberschnack”.
„Redebedarf ist groß“
Was im Weg steht, räumt sie weg. Zum Beispiel die fehlende Erfahrung mit Podcast-Aufnahmen, Schnittprogrammen und Spotify-Veröffentlichungen. „Am wichtigsten ist ein gutes Mikro – und dass man rein spricht“, lacht Werther, die in der Personalabteilung eines großen Modeunternehmens arbeitet.
Auf der Nachbarschaftsplattform „Nebenan.de” inseriert Werther ihr Anliegen und sucht Menschen ab 55 Jahren. Über 40 Interessierte reagieren. Sie bemerkt: „Der Redebedarf ist groß.”
Bauchkribbeln
In den folgenden Wochen geht sie die Antworten durch, meldet sich zurück und telefoniert mit Menschen aus ihrer Nachbarschaft. Kurz vor dem ersten Treffen kommt Bauchkribbeln auf. Aufregung und Vorfreude auf das, was kommt. Auf eine Person, die sie nicht kennt.
Für ihre erste Aufnahme trifft sie auf Andrea – Eimsbüttelerin, Hebamme, 65 Jahre alt. Knapp eine Stunde dauert die Podcast-Folge. Gesprochen haben die beiden länger. Über Andreas Ausbildung in den 70ern. Über Kampfgeist und politischen Aktivismus und wie sich die verschiedenen Generationen darin unterscheiden.
Sich auf verschiedene Lebensgeschichten und fremde Menschen einstellen – Sina Werther schätzt das: „Mir gibt es sehr viel, dass sich die Leute mir anvertrauen.” Gleichzeitig hat sie das Gefühl, durch ihr Zuhören etwas zurückgeben zu können.
lokal. unabhängig. unbestechlich.
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