
Ein Autohaus wird zum Theater
Das Lichthof Theater will von Bahrenfeld ins Grindelviertel ziehen, in ein ehemaliges Autohaus im Rentzel-Center. Dort soll ein kreativer Ort in einer neuen Dimension entstehen.
Von Christiane TauerMatthias Schulze-Kraft durchbricht Mauern. Er reißt sie nieder und schafft aus dem Alten, Verstaubten etwas Neues, Luftiges. Er tut dies an einem Ort, der für die ausklingende Ära aus Motorenöl und Verbrenner steht, und transformiert ihn in einen Raum für Kunst und Begegnung.
Der künstlerische Leiter des Lichthof Theaters will das ehemalige Autohaus im Rentzel-Center in ein Theater umbauen.
Theater: zurück zum großen Raum
Während draußen, am Eingang zur Rentzelstraße, noch das vergessene Hinweisschild auf ein Corona-Testzentrum an die jüngste Vergangenheit des Hauses erinnert, blickt Schulze-Kraft im Inneren des Gebäudes von einer Klappleiter aus in die Zukunft. Die Klappleiter hat er in der hinteren Ecke des großen Raumes mit den hohen Decken aufgestellt. Hier hatte das Autohaus vor Jahrzehnten die Fahrzeuge präsentiert. Es war der Fahrzeugbetrieb J.A. Schlüter Söhne, der heute in Rothenburgsort sitzt und seit 1807 Hamburg bewegt – erst als Fuhrunternehmen mit Pferden und später motorisiert. Irgendwann, als die Autos 1976 aus der Rentzelstraße auszogen, haben die Eigentümer eine Decke in den großen Raum einhängen lassen und ihn so verkleinert.

Schulze-Kraft steigt die Stufen der Klappleiter empor und nimmt ein Element aus der Zwischendecke heraus. Er steckt seinen Kopf durch die Öffnung und zeigt auf die blauen Träger, die das Dach halten. „Der Raum ist sechs Meter hoch.” Wie imposant er wohl wirken muss, wenn die Zwischendecke entfernt ist und Schauspielerinnen und Schauspieler dort umherschreiten!
Lichthof-Theater will „mittlere Bühne“ schaffen
Das Rentzel-Center ist für Schulze-Kraft wie ein Schatz, den er nach langer Suche endlich fand. Zehn Jahre hatte er in ganz Hamburg nach einer neuen Spielstätte für das Lichthof Theater gesucht. Dann stieß er auf das Rentzel-Center – oder das Rentzel-Center kam zu ihm, wie er sagt. Den Fund hat er Geschäftsführerin Julia zur Lippe zu verdanken, die das Gebäude über ein anderes Projekt kannte. Seit anderthalb Jahren nutzt das Theater das Rentzel-Center als Probebühne, während die Theaterbühne und die Verwaltung des Hauses in Bahrenfeld sind. Kein idealer Zustand, der mit dem Neubau ein Ende finden soll.
Doch nicht nur praktische Überlegungen spielen eine Rolle. Der vom Berliner Architekturbüro bplus geplante Neubau würde das Lichthof Theater auf eine neue Stufe heben. Bisher zählt das Haus zu den kleinen freien Bühnen, wie etwa das Monsun-Theater oder das Hamburger Sprechwerk. „In Hamburg fehlt eine mittlere Bühne”, sagt Schulze-Kraft. Etwas zwischen der großen Bühne auf Kampnagel und den kleinen Bühnen. Wenn der Umbau abgeschlossen ist, kann das Lichthof Theater diese Lücke füllen. Im Hauptraum fänden dann bis zu 300 Personen Platz und 100 weitere in einem zweiten Raum, der über das Foyer zu erreichen ist. Wie schon am jetzigen Standort wird die Tribüne mobil und nicht fest installiert sein.
Orte neu denken, ohne Vergangenheit zu vergessen
Die Pläne umfassen noch mehr. Wo früher die Waschanlage für die Autos war, soll eine Bar entstehen. Vor den großen Rolltoren, durch die die Fahrzeuge fuhren und die erhalten bleiben sollen, könnte vielleicht eine Außenspielbühne Platz finden. Rasen, Bäume und grüne Inseln könnten dorthin, wo heute Steine und Beton zu sehen sind. Schulze-Kraft und sein Team denken den Ort neu, ohne seine Vergangenheit zu vergessen. In der Architektensprache nennt sich das „Bauen im Bestand”. Das Theater soll „die Arme in Richtung Stadtteil ausbreiten”, sagt der künstlerische Leiter. Es soll sich nicht von der Nachbarschaft abkapseln, sondern zugänglich sein und zeigen: Kommt herein, bei uns sind alle willkommen.
Altes neu verwenden
In puncto Nachhaltigkeit will das Theater ebenfalls vorausgehen. Der Umbau soll ein hamburgweites Modellprojekt für nachhaltige Kulturbauten sein. Das gesamte Abbruchmaterial soll so weit wie möglich wiederverwendet werden. Die herausgenommenen Wände und Mauern würden beispielsweise geschreddert und anschließend in die neu gesetzten Lehmwände eingefügt. Auch der Energiebedarf des Gebäudes soll möglichst gering ausfallen. So wird die Lüftung über zwölf im Gebäude verteilte Rotoren zur Luftumwälzung laufen. Das Dach soll begrünt sein, Parkplätze soll es keine geben.

Am neuen Standort will das Lichthof Theater etwas schaffen, das nicht nur ein physischer Raum ist, sondern ein „Gedankenmodell”. So ist es in der vom Architekturbüro erstellten Machbarkeitsstudie formuliert. Die bestehenden Strukturen des Theaterbetriebs sollen kritisch beleuchtet und an die Gegenwart angepasst werden – etwa die Funktion des Theaters für das Publikum, die Stadt und die Gesellschaft. Auch geht es um die Frage, welche Räume ein Theater überhaupt braucht und wie sich „alternative Formen und Prozesse” architektonisch widerspiegeln.
Traum: Betrieb 2027 starten
„Wir haben einen zentralen Kunstkern, den wir auf andere Veranstaltungen ausweiten wollen”, drückt Schulze-Kraft diesen Transformationsprozess in Worte aus. Die große Halle könnte beispielsweise für Partys oder Konzerte genutzt werden. Und im Obergeschoss sollen Bürocontainer entstehen, die auch als Wohnraum für Künstler verwendbar sind – oder anderweitig „kunstnah” genutzt werden könnten. Das Theater als multipler kreativer Ort.
Die Uninähe kommt diesem Vorhaben zugute. Schon heute hat das Lichthof Theater vor allem ein junges Publikum – das will Schulze-Kraft ausbauen. Bei der Planung des neuen Theaters will er neben der Uni auch die benachbarten Schulen, Geschäftsleute und Privatpersonen einbeziehen. Sein Traum wäre, 2027 mit dem Betrieb an der Rentzelstraße zu starten.
Theater bekommt an neuem Standort neuen Namen
Allerdings müsste noch die Finanzierung geklärt werden. 13,5 Millionen Euro würde die Umsetzung aller Pläne voraussichtlich kosten. In einem ersten Schritt soll zunächst nur der große Veranstaltungsraum für bis zu 300 Personen und eine Probebühne eröffnen. Dafür kommen zwei Millionen Euro vom Bund und weitere zwei Millionen von der Hamburger Behörde für Kultur und Medien. Wie die weiteren Pläne finanziert werden, ist noch offen. Mit dem Eigentümer des Gebäudes, einer Grundstücksgesellschaft, steht das Theater derzeit in Verhandlungen über die Eckpunkte des Mietvertrags. Mindestens 20 Jahre solle dieser im Idealfall laufen, so der Wunsch des Theaters.
Eine Sache steht laut Schulze-Kraft schon jetzt fest: Lichthof wird das Haus an der Rentzelstraße nicht mehr heißen. „Der Ort hat die Kraft, auch in dieser Hinsicht etwas Neues zu schaffen.”
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