
Kostenloser Nahverkehr
Die noch amtierende Bundesregierung hat mit dem Vorstoß, den öffentlichen Nahverkehr kostenlos anzubieten, überrascht. Mit dieser Maßnahme soll die Luftqualität in den Städten verbessert werden. Auch Niels Annen unterstützt den Vorschlag.
Von Robin EberhardtIn einem Brief an den EU-Umweltkommissar Karmenu Vella haben Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) vorgeschlagen den öffentlichen Nahverkehr kostenlos anzubieten, um so den Individualverkehr zu reduzieren.
Annen: Vorschlag muss diskutiert werden
Niels Annen, Eimsbüttels SPD Abgeordneter im Bundestag, sieht den Vorschlag positiv: „Um die Stickoxid-und Feinstaub-Belastung in den Städten zu senken, führt an langfristigen Strategien kein Weg vorbei. Neben der Förderung von Elektromobilität, Investitionen in U- und S-Bahnen, sowie der Landstromversorgung im Hafen, ist auch der „Nulltarif für Busse und Bahnen“ eine Option, die diskutiert werden muss.“
Derzeit seien die Kommunen, laut Annen, auf einen dann zu erwartenden Passagieransturm aber nicht vorbereitet und der notwendige Ausbau der Infrastruktur offen. „In Hamburg würden Kosten von mehr als 800 Millionen Euro jährlich anfallen“, erklärt er. Eine Umsetzung dieser Forderung müsse in jedem Fall in enger Absprache mit den Kommunen geschehen und eine Kostenübernahme durch den Bund wäre notwendig.
Zweifel an der Umsetzbarkeit
Allerdings sind nicht alle von der Idee begeistert und von vielen Seiten gibt es große Zweifel an der Umsetzbarkeit des Vorschlages. Vor allem die Finanzierbarkeit wirft große Fragen auf.
„Allein für die 845 Millionen Euro Fahrgeldeinnahmen müsste dann der Steuerzahler aufkommen“, erklärt Rainer Vohl vom HVV. Außerdem seien auch größere Investitionen in das System notwendig, um es attraktiver und leistungsfähiger zu machen.
„Wenn es so bleibt, wie es heute ist, werden zusätzliche Fahrgäste abgeschreckt“, fährt er fort. Für die Verbesserung der Infrastruktur sei mindestens ein hoher dreistelliger Millionenbetrag von Nöten.
Angebot muss ausgebaut werden
Die Hamburger Umweltbehörde begrüßt die Initiative der drei Bundesminister. So ein Gratis-Angebot für Busse und Bahnen wäre auf jeden Fall eine wirksame Maßnahme für die Umwelt: Denn wenn mehr Menschen das Auto stehen lassen und den ÖPNV nutzen, gibt es weniger Autoverkehr, weniger schädliche Abgase, weniger klimaschädlichen CO2-Ausstoß und weniger Lärm in der Stadt „, sagt Behördensprecher Jan Dube.
Er gibt aber auch zu bedenken, dass bei einer stärkeren Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs das Angebot massiv ausgebaut werden müsse und wundert sich, ob das ein ernstgemeinter Vorstoß ist oder „nur eine Beruhigungspille für die EU“, weil davon nichts im Entwurf des Koalitionsvertrages stehen würde.
Verkehrsbehörde verweist auf entgangene Einnahmen
Christian Füldner, Sprecher der der Hamburger Verkehrsbehörde betont, dass neben den entgangenen Einnahmen durch Fahrkarten die Kosten einer Elbphilharmonie betragen und es wichtig wäre, zuerst zu klären wer die Kosten den tragen würde.
„Außerdem wissen wir nicht, wer das Angebot überhaupt nutzen würde und ob die gewünschten Effekte für die Luftreinhaltung eintreten würden“, so Füldner.
CDU: fließender Verkehr wichtiger
Auch Dennis Thering, verkehrspolitischer Sprecher der CDU in der Hamburger Bürgerschaft, zweifelt an dem Erfolg der Maßnahme: „Der erhoffte Effekt wird nicht eintreten. Überfüllte Busse und ausgefallene Bahnen sind das größere Problem für die Akzeptanz des öffentlichen Nahverkehrs.“
Wichtiger wäre es, dass der Verkehr besser fließt. „Durch das ständige Anfahren und Abbremsen wird die Umwelt wesentlich stärker belastet“, so Thering.
Gesellschaftliche Debatte
„Günstige Fahrpreise bis hin zu kostenlosem ÖPNV machen die Nutzung von Bahn und Bus deutlich attraktiver. Wenn man die Fahrpreise für den ÖPNV vergünstigen will, dann muss man aber immer auch über die Gegenfinanzierung sprechen“, kommentiert Martin Bill, verkehrspolitischer Sprecher der GRÜNEN Bürgerschaftsfraktion, den Vorschlag.
Er fordert zu dem Thema eine gesellschaftliche Debatte. „Dabei muss mitbedacht werden, dass eine günstigere Fahrpreisgestaltung zum Anstieg der Kunden führen kann, was wiederum erhöhte Kosten für den Ausbau der Infrastruktur bedeuten kann. Es wäre schön, wenn wir hier am Beginn einer konstruktiven Diskussion stehen würden“, so Bill. „Für uns Grüne ist die Stärkung des ÖPNV ein zentrales Anliegen. Zweifelsohne hat auch die Fahrpreisgestaltung Auswirkungen auf die Attraktivität des ÖPNV.“
Eimsbüttel leidet unter Autoverkehr
Eimsbüttel leidet unter den Folgen des Autoverkehrs, so überschreiten die Messwerte an den Luftmessstationen an den Grenzen des Bezirks in der Stresemannstraße an der Ecke Max-Brauer-Allee und in der Kieler Straße regelmäßig die zulässigen EU-Grenzwerte und gehören zu den schlechtesten in der ganzen Stadt.
Nicht nur die Luft würde von einem Umstieg vom Auto zu Bus und Bahn profitieren, auch die Verkehrs- und Parkplatzsituation in Eimsbüttel würde sich merklich verbessern.
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