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Die Eimsbüttelerin Anna-Lena Ouarzazi kennt sich auf dem Wohnungsmarkt aus.
Die Eimsbüttelerin Anna-Lena Ouarzazi arbeit als Immobilienexpertin bei einem "Housing First"-Projekt. Foto: Julia Haas
Magazin #37

Sinn statt Rendite

Die Eimsbüttelerin Anna-Lena Ouarzazi kennt sich auf dem Wohnungsmarkt aus. Jahrelang hat sie in der Immobilienbranche gearbeitet. Jetzt setzt sie ihr Wissen ein, um wohnungslose Menschen in Wohnungen zu vermitteln.

Von Julia Haas

Jeder Mensch hat ein Recht auf Wohnen. Seit Frühjahr 2023 unterstützt das Projekt „Housing 1st Rautenberg” obdachlosen Menschen in Hamburg dabei, eine eigene Wohnung zu finden. Anna-Lena Ouarzazi aus Eimsbüttel ist vom ersten Tag an dabei – für sie ein Neuanfang in doppelter Hinsicht.

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Im Gespräch mit Anna-Lena Ouarzazi

Eimsbütteler Nachrichten: Wie sind Sie zu diesem Projekt gekommen?

Anna-Lena Ouarzazi: Ich habe lange in der Vermietung und im Verkauf von Immobilien gearbeitet. Während meiner Elternzeit wurde die Firma verkauft, deshalb war die Arbeit anders, als ich zurückkam. Es ging nur noch um die Rendite. Das wollte ich nicht – nur für das Geld zu arbeiten. Also habe ich mich umgeschaut, um meine bisherige Arbeit mit etwas Sozialem zu verknüpfen.

Hatten Sie vorher Berührungspunkte mit diesem Bereich?
Überhaupt nicht. Ich hatte viel mit Mietern zu tun, aber nicht mit dem sozialen Gefüge, in dem sie leben. Es ging vor allem darum, dass die Miete reinkommt und die Buch­haltung stimmt.

Wie arbeiten Sie jetzt?

Ich habe eine neue Perspektive gewonnen – die der Sozialarbeit. Das verbinde ich mit dem, was ich vorher gemacht habe: mit Vermietern sprechen, Verträge verhandeln, Unterlagen einreichen.

Mit Klischees aufräumen und aufklären

Wie sieht das konkret aus?

Ich bin vor allem für die Akquise von Wohnungen zuständig. Das heißt, ich suche Wohnungen, die zu unseren Projektteilnehmenden passen. Es ist wichtig, etwas zu finden, was langfristig passt. Deshalb kläre ich mit den Teilnehmenden ab, was sie brauchen, welche Bedürfnisse sie haben.

Manche denken, egal, die Obdachlosen sollen nehmen, was sie kriegen. Das ist unseres Erachtens der falsche Ansatz. Wir wollen, dass sich die Menschen in dieser Wohnung wohlfühlen und langfristig zur Ruhe kommen. Auch obdachlose Menschen haben oftmals eine genaue Vorstellung davon, wie sie leben möchten. Es bringt deshalb nichts, wenn wir sie in eine Wohnung vermitteln, die den eigenen Vorstellungen von Lage und Größe nicht entspricht.

Und woher kommen die Wohnungen?

Wir kooperieren mit verschiedenen Wohnungsunternehmen, zum Beispiel mit der Vonovia, aber auch mit einigen Genossenschaften. Denen sage ich, was wir suchen – und hoffe, dass sie sich melden, wenn etwas passt. Vor allem zum Monats­wechsel, wenn Mietverträge gekündigt werden, ­hake ich nach. Drei Teilnehmende konnten wir schon in Woh­nungen der Vonovia vermitteln.

Aber das reicht natürlich nicht. Ich spreche viele Vermieter auf dem Markt an und erkläre ihnen das Projekt. Dabei geht es auch darum, mit Klischees aufzuräumen und aufzuklären. Viele Menschen landen auf der Straße, weil sie sich durch schlimme Schicksalsschläge in eine Abwärtsspirale verstrickt haben.

Ab und zu melde ich mich auch auf einzelne Wohnungs­inserate, aber daraus ist bisher leider noch nichts geworden.

„Wir arbeiten mit Menschen zusammen, denen sonst niemand mehr hilft“

Wie ist die Resonanz der Vermietenden?

Neun von zehn Anrufen sind negativ. Viele Vermietende sagen, dass sie bereits mit der Stadt zusammenarbeiten. Es gibt Ko­operationsverträge, dass sie eine bestimmte Anzahl von Wohnungen an Menschen vergeben, die dringend eine Wohnung suchen. Oft sind das auch wohnungs- und obdachlose Menschen, die von verschiedenen Trägern vermittelt werden. Hierzu bedarf es jedoch eines umfang­reichen Einstufungsverfahrens.

Unsere Zielgruppe wird so aber nicht erreicht, da diese Verfahren oft zu hochschwellig sind. Wir arbeiten mit Menschen zusammen, denen sonst niemand mehr hilft. Wir haben letztes Jahr für einen Mann, der zwölf Jahre obdachlos war, eine Wohnung gefunden.

Und ich erkläre den Vermietenden: Wenn es eine Wohnung gibt, hört die Arbeit für uns nicht auf – sie fängt erst an.

Das Team begleitet und unterstützt die Menschen auch in der Wohnung?

Ja, wir erarbeiten mit ihnen eine langfristige Perspektive – wenn sie das wollen. Unser Projekt beruht auf Freiwilligkeit. Alles kann, nichts muss. Wir zwingen niemandem etwas auf, was er nicht will. Aber wir machen das Angebot, immer ansprechbar zu sein. Und die große Mehrheit nimmt das auch in Anspruch. Das ist auch für die Vermietenden eine Stütze.

Wohnungsmarkt Eimsbüttel

Man merkt, dass Sie von dem Konzept überzeugt sind.

Auf jeden Fall. Vieles lässt sich nur mit Hilfe einer Wohnung bewältigen. Wie soll man arbeiten, wenn man nicht weiß, wo man schläft? Wie soll jemand trocken werden, wenn er nach der Therapie wieder auf der Straße sitzt?

Es ist ein Kampf ums Überleben – vor allem jetzt im Winter. Letztes Jahr sind über 20 Menschen auf der Straße gestorben. Die erste Person, die wir vermittelt haben, hat jahrelang auf der Veddel gezeltet. Letztes Jahr hatte sie eine Lungenentzündung, einen weiteren Winter draußen hätte sie wahrscheinlich nicht überlebt. Ich bin mir ­sicher: Die Wohnung hat ihr das Leben gerettet.

Deswegen mache ich das. Dabei zu sein, wenn der Miet­vertrag unterschrieben wird oder der Schlüssel übergeben wird, ist besonders. All die negative Energie, die mir auf dem Wohnungsmarkt entgegenschlägt, macht das wieder wett.

Der Wohnungsmarkt ist hart – auch in Eimsbüttel. Haben Sie hier schon eine Wohnung gefunden?

Bisher nicht. Wir haben acht Menschen in Wohnungen vermittelt. In ganz Hamburg, auch in Rissen und Blankenese. Aber in Eimsbüttel ist es schwierig – jeder, der hier eine Wohnung sucht, weiß das.

Aktuell haben wir eine Teilnehmerin, die aus Eimsbüttel kommt und wieder dort wohnen möchte. Leider sind die Chancen sehr gering. Bezahlbare Einzimmerwohnungen gibt es fast nicht – und wenn doch, wird unserer Ziel­gruppe keine Chance gegeben. Aber ich versuche es weiter und suche nach Vermietenden, die uns auch hier Wohnraum zur Verfügung stellen möchten.

Housing First als Allheilmittel?

Glauben Sie, dass Housing First das Allheilmittel ist, um Obdachlosigkeit zu beenden?

Es ist für viele eine Perspektive. In Finnland ist es mit diesem Ansatz gelungen, die Obdachlosigkeit innerhalb kürzester Zeit zu halbieren.

Wichtig ist, dass die Unterkunft nicht an zu viele Bedin­gungen geknüpft ist. Wir geben jedem Teilnehmer ­einen Vertrauensvorschuss und sagen: Du bekommst eine Woh­nung und wir schauen, wie es in deinem Tempo weitergeht.

Aber nicht jeder will oder kann in eine eigene Wohnung ziehen, denn nicht für jeden ist dies das Richtige. Das müssen wir akzeptieren.

Das Projekt ist spendenfinanziert und auf drei Jahre angelegt. Wie geht es danach weiter?

Das wissen wir noch nicht, aber wir hoffen sehr, das Projekt mit Hilfe der Stadt verstetigen zu können. Hamburg hat eine Vielzahl von Angeboten für obdachlose Menschen und ist dennoch die Hauptstadt der Obdachlosen. Das muss sich ändern, und wir wollen mit unserer Arbeit dazu beitragen.

2022 startete die Hamburger Sozialbehörde das Modellprojekt „Housing First Hamburg”. Ziel war es, innerhalb von drei Jahren 30 langzeitobdachlose Menschen mit Leistungsanspruch in Wohnraum zu vermitteln. Im Herbst 2024 wurde das bereits erreicht. Nun soll das Konzept verstetigt werden – davon könnten womöglich auch Projekte wie „Housing 1st Rautenberg” profitieren.

info

Peer-Berater

Im Team von „Housing 1st Rautenberg” arbeitet ein Peer-Berater: Christoph S. war früher selbst obdachlos, heute unterstützt er andere Menschen, die auf der Straße leben, eine Wohnung zu finden. „Sie müssen mir nicht erklären, was draußen passiert, ich weiß es. Ich kenne die Gefühle und Herausforderungen.”
Derzeit entwickelt er mit dem Bundes­verband „Housing First” einen Kurs, um andere Peer-Berater auszubilden.


Constantin Pintilii ist von der Straße in einen Wohncontainer bei der Christuskirche gezogen. Was ein Dach bewirken kann.


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