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Noch bis Ende des Jahres bleibt Ottensen teilweise autofrei.
TEXT: Carolin Martz und Sophia Kleiner / FOTO: Bezirksamt Altona
Magazin #18

Autofreie Zonen: Zieht Eimsbüttel nach?

Immer mehr Städte drängen das Auto zurück, um wieder Platz für die Menschen zu schaffen. Die Eimsbütteler Politik plant, testweise Straßen zu autofreien Zonen zu erklären. In anderen Bezirken sind die ersten Modellversuche bereits gestartet. Führte das Umparken zu einem Umdenken?

Von Eimsbütteler Nachrichten

Der öffentliche Raum soll neu geordnet werden. Das Auto rückt dabei vielerorts immer weiter aus dem Zentrum der Planungen. Bevorzugten Ampeln beispielsweise bisher den motorisierten Verkehr, soll sich das in Teilen Eimsbüttels bald ändern. Erst kürzlich beschloss die Bezirksversammlung, in einigen Straßenzügen die Grüne Welle für Radfahrer einzuführen. Und bei der automatischen Vorfahrt für Zweiräder soll es nicht bleiben.

Denn nach dem gleichen Grundsatz – erst probieren, dann planen – hat Hamburg im letzten Jahr zwei Quartiere testweise zu autofreien Zonen erklärt. Entsprechende Überlegungen gibt es auch in Eimsbüttel. Die Rechnung geht so: Weniger Autos, mehr Fahrräder ergibt bessere Luft, gesündere Bürger und mehr Platz.

So verwandelte sich im August 2019 das Rathausquartier um die Kleine Johannisstraße und die Schauenburgerstraße in der Innenstadt in eine Fußgängerzone. Einen Monat später zog Altona mit der Ottenser Hauptstraße und Bahrenfelder Straße nach. Autofahren dürfen Hamburger und Besucher in beiden Gebieten nur noch mit Sondergenehmigung, denn zwischen 11 und 23 Uhr gehören die Straßenzüge den Fußgängern und Radfahrern.

Flanierquartier: „Ottensen macht Platz“

Der motorisierte Individualverkehr gerate zunehmend mit anderen Verkehrsteilnehmern in Konflikt, hieß es in dem entsprechenden Beschluss der Altonaer Bezirksversammlung aus dem Frühjahr 2019. Workshops mit Bürgern in Ottensen hätten gezeigt, dass die Anwohner mit der Verkehrssituation unzufrieden seien. Sie forderten Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer, mehr Stadtgrün und Raum für nachbarschaftliche Begegnungen.

Das Bezirksamt Altona setzte die Forderungen prompt um: Im März vergangenen Jahres beschloss die Behörde, eine autofreie Zone in Ottensen einzurichten. „Es blieb nur ein sehr kurzer Zeitraum für die konkretisierende Planung und Vorarbeit”, so Pressesprecher Martin Roehl. Den Fokus legte das Bezirksamt auf die Beteiligung der Bürger. Eine Webseite und ein Stand informierten über das Projekt. Ende Mai starteten die Informationsveranstaltungen für Gewerbetreibende, Ende Juni ein offener Workshop für Bürger. Im September lief das zurzeit größte Verkehrsexperiment zu autofreien Zonen in Hamburg an: „Ottensen macht Platz”, sechs Monate lang.

Fußgänger können sich an den Gehwegrand setzen, frei auf der Straße bewegen oder stehen bleiben, wenn sie Bekannte treffen. Doch nicht alle Anwohner und Gewerbetreibenden befürworten das Projekt: Die Initiative „Ottensen bewegt” findet das Mobilitätskonzept nicht durchdacht. Ältere und wenig mobile Menschen seien durch die autofreie Zone benachteiligt. Zudem hätten Gewerbetreibende in Ottensen Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

Noch bis Ende Februar 2020 bleibt die Zone in Ottensen autofrei. Dann wird ausgewertet, ob sich „Ottensen macht Platz” für Anwohner und Gewerbetreibende bewährt hat.

Erster Versuch überzeugte Hamburger

Im Rathausquartier ist der erste Modellversuch bereits beendet. Drei Monate lang waren zwei Straßen in der Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt. Die Fußgängerzone auf Zeit polarisierte zunächst: Bei einer Onlineumfrage unter den Anwohnern sechs Monate vor Beginn des Projektes stimmte nur eine knappe Mehrheit von 59 Prozent für die temporäre Fußgängerzone. „Manche sind sehr dafür, andere stark dagegen”, erklärt Mario Bloem, einer der Initiatoren. „Im Verkehrssektor ist das aber üblich.”

93 Prozent der Befragten bescheinigtem dem „autofreien Rathausquartier“ mehr Lebensqualität. Foto: Vanessa Leitschuh

Doch die anschließende Auswertung übertraf die Erwartungen der Planer. Bei einer Umfrage der d-plan Stadtentwicklung GmbH gaben 85 Prozent der über 800 Befragten an, dass sie mit der Fußgängerzone zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind. Die Gründe dafür sind vielfältig: 84 Prozent der Befragten fühlen sich sicherer, seit in der Zone keine Autos mehr fahren. 93 Prozent bescheinigten dem Viertel mehr Lebensqualität. Ein Großteil der Teilnehmer empfand ein besseres Nachbarschaftsgefühl, weniger Lärmbelästigung und ein geringeres Konfliktpotential im Straßenverkehr.

Nicht nur die Passanten profitierten der Statistik nach von der autofreien Zone. So habe sich die Fußgängerzone nicht auf die Abwicklung des Lieferverkehrs ausgewirkt, dafür sei die Außengastronomie besser sichtbar gewesen. Das habe sich auch auf den Umsatz der Restaurants, Cafés und Läden ausgewirkt, bestätigen alle befragten Gastronomen und die Hälfte der Einzelhändler im Viertel.

Seit Oktober fahren aber wieder Autos durch die Kleine Johannisstraße und die Schauenburgerstraße. Ob der Sommer 2019 ein einmaliger Versuch bleibt? 93 Prozent der Umfrageteilnehmer wünschen sich jedenfalls auch 2020 wieder eine Fußgängerzone.

Kann die autofreie Zone in Eimsbüttel kommen?

Auch in Eimsbüttel diskutiert die Politik über solche Verkehrsversuche. Bei der Bezirksversammlung im April 2019 legten die Grünen einen Antrag vor: Sie wollen wie in Ottensen und der Innenstadt autofreie Zonen testen. Mehr als die Hälfte der Eimsbütteler habe kein eigenes Auto, dennoch prägten fahrende und parkende Autos den Bezirk, so die Grünen.

Im Antrag fordern sie sogenannte Straßenparks. Diese sollen einer stark begrünten Spielstraße ähneln, parkende Autos die Ausnahme sein. Lieferverkehr und Anwohner sollen weiterhin einfahren dürfen, wenn auch im Schritttempo, der übrige Verkehr müsse aber durch einfahrbare Poller reguliert werden. Auch Parkplätze für Elektroautos oder Car-Sharing seien denkbar.

Kurzum: weniger blecherne Mauern am Straßenrand, dafür mehr Raum für den Alltag. „Kleinteilige autofreie Zonen wären ein erheblicher Gewinn für die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger im Bezirk”, heißt es in dem Antrag, der im Mai beschlossen wurde.

Zukunftsvision: Autofrei in jedem Stadtteil

Mit ihrem Antrag greifen die Grünen eine Zielsetzung des schwarz-grünen Koalitionsvertrags für Eimsbüttel auf: „Unsere Zentren sollen so attraktiv und sicher sein, dass man viel lieber hier seinen Einkauf erledigt als im Internet. Denn hier trifft man sich, man sitzt in der weitgehend autofreien Straße und schnackt beim Kaffee, während die Kinder über den Spielplatz toben.”

Den Grünen geht es nicht nur um Umweltschutz und Gesundheit, sie haben auch die „Vision Zero”: Die Zahl der Verkehrstoten auf Null senken. Dafür brauche es eine Mobilitätswende. „Perspektivisch in jedem Stadtteil mindestens eine autofreie Straße oder ein autofreier Bereich” – so Grüne und CDU. Zuvor soll die Fußgängerzone auf Zeit aber auch in Eimsbüttel erst einmal getestet werden. In einem Forum zur Mitentwicklung sollen sich Bürger frühzeitig beteiligen können.

Welche Straßen kommen infrage?

Die Planung der beantragten Straßenparks ist jedoch noch nicht konkret. „Wir tauschen uns mit den beiden Bezirken Altona und Mitte aus, die diese Testphase durchführen, und stimmen uns zunächst mit der Bezirkspolitik ab”, so Kay Becker, Sprecher des Bezirksamts Eimsbüttel.

Der Eppendorfer Weg, der Henriettenweg und die Lindenallee könnten Testgebiete sein. „Der Eppendorfer Weg soll nach einem Beteiligungsprozess auf Höhe Henriettenweg gesperrt werden; im gleichen Zuge soll der Henriettenweg von beiden Seiten des Eppendorfer Wegs einen Wendehammer erhalten”, heißt es im Vertrag. Auf diese Weise könnte ein Straßenpark mit Aufenthaltsqualität entstehen. Auch in der Lindenallee könne ein Straßenpark entstehen, wenn der Verkehr umgeleitet wird.

FDP warnt vor Schnellschuss

FDP-Bürgerschaftskandidat Jan Sommermeyer, Mitglied im Mobilitätsausschuss der Bezirksversammlung Eimsbüttel, warnt vor einem „Schnellschuss”. „So trendy eine autofreie Zone klingen würde, müssten die verschiedenen Nutzungsinteressen gründlich abgewogen werden”, so Sommermeyer.

In Ottensen sei die eilige Umsetzung der Fußgängerzone „gründlich schiefgegangen”. Unter Anwohnern, Einzelhandel und Zulieferern fehle es an Akzeptanz. Ältere Menschen seien auf ein Auto angewiesen, um Wohnungen und Geschäfte zu erreichen. „Auch wird der Einzelhandel bei weniger Parkflächen in seinem überörtlichen Einzugsgebiet erheblich geschwächt”, sagt Sommermeyer weiter. Zwar würden mehr Cafés und Restaurants entstehen, der Einzelhandel sterbe aber weiter.

Linke und SPD: Autofreie Zonen – unter bestimmten Voraussetzungen

Peter Gutzeit, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion Eimsbüttel, spricht sich für autofreie Zonen aus, knüpft diese jedoch an Bedingungen. Maßnahmen wie eine Ring-Stadtbahn, ein 365-Euro-Ticket im ÖPNV oder eine großzügige Fahrradinfrastruktur könnten das Projekt begleiten. Die Zonen in Ottensen und Rathaus seien für die Linke ein „mutiger Angriff”. Denn heutzutage stehe das Auto nicht mehr für unbegrenzte Freiheit, sondern für Dreck, Lärm, Stress, Tote und unbenutzbaren Straßenraum für nicht motorisierte Menschen, so Gutzeit. Autofreie Zonen dienten deshalb allen, die Eimsbüttel bewohnen oder durchfahren.

Ähnlich sieht es Koorosh Armi, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD: „Im Ergebnis profitieren alle Menschen, wenn weniger Fahrzeuge durch die Straßen fahren.” Dass autofreie Zonen die richtige Maßnahme seien, um Verkehr zu reduzieren, bezweifelt er jedoch. Die Politik müsse vielmehr Anreize schaffen, auf Autos zu verzichten, und die öffentlichen Verkehrsmittel ausbauen. Ob zusätzlich autofreie Zonen entstehen sollen, müssten die Anwohner entscheiden. „Mit Bevormundung kommen wir nicht weiter”, so Armi.

Wann der Antrag der Grünen und damit der erste Straßenpark in Eimsbüttel umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Deutlich ist jedoch: Mobilität ist in Hamburg zunehmend Thema – ein Thema, das bewegt und polarisiert. Flanieren auf der Fahrbahn könnte jedenfalls auch in Eimsbüttel bald möglich sein.

Die Lindenallee im Süden Eimsbüttels ist im Koalitionsvertrag als möglicher Ort für einen Straßenpark genannt. Wie stehen die Anwohner dazu?

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